Wie reduzieren wir den Attitude-Behavior-Gap beim nachhaltigen Konsum?

Wie reduzieren wir den Attitude Behavior?

Die Anbieter von nachhaltigen Konsumgütern befinden sich derzeit in einem schwierigen Umfeld. Es gibt zwar viele Anzeichen dafür, dass die Konsumenten für nachhaltige Produkte über eine höhere Zahlungsbereitschaft verfügen und bevorzugt nachhaltige Produkte und Dienstleistungen konsumieren möchten, allerdings ist der messbare Marktanteil von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen noch immer relativ gering. Experten bezeichnen die Differenz zwischen Einstellung und Verhalten als Attitude-Behavior-Gap.

Im Interesse unserer lebenswerten Zukunft, müsste es unser aller Interesse sein, diese Lücke zu reduzieren. So wird der wirtschaftliche Anreiz für Unternehmen erhöht, nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. In allen Konsumbereichen benötigen wir Öko-Innovationen, die für die Verbraucher so attraktiv sind, dass sie diese freiwillig den Vorrang gegenüber der konventionellen, weniger nachhaltigen Alternative geben.

Besonders anschaulich ist der Attitude-Behavior-Gap bei Bio-Lebensmitteln ersichtlich: So geben 32 % an häufig Bio-Produkte zu kaufen. Im selben Jahr beträgt der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt 6,4 %. Dies ist zwar eine Steigerung zum Vorjahr, allerdings ist hier die Diskrepanz zwischen Kaufwille und Kauftätigkeit besonders anschaulich quantifiziert.

Nachhaltig zu handeln ist eine gute Absicht. Doch schafft man es im Alltag oft nicht, sie umzusetzen. Und das nicht nur beim Einkauf von Lebensmitteln. Beim Kleiderkauf empfinden es fast 40 % der Konsumenten als wichtig, dass Kleidung nachhaltig und fair hergestellt wird (S. Kleinhückelkotten (2019): Social Acceptability of More Sustainable Alternatives in Clothing Consumption. In: Sustainability 11 (22)). Tatsächlich betrug der Anteil an Bio-Textilien 2018 in Deutschland lediglich 0,425 %.

KAUFBARRIEREN ABBAUEN

Was bedeuten diese Erkenntnisse für den Anbieter von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen? Für einen tieferen Einblick schauen wir uns die Kaufbarrieren von Balderjahn (2021: Nachhaltiges Management und Konsumentenverhalten) genauer an:

  • PREIS: Häufig wird der teure Preis als Hauptgrund genannt. Gleichzeitig zeigen zahlreiche Studien, dass es eine höhere Preisbereitschaft für gleichwertige, nachhaltige Produkte gibt. Höhere Preise lassen sich immer durchsetzen: z.B. bei begehrten Marken oder bei sehr guter Qualität. Der Preis kann als solitäre Determinante nur bei zu 100 % vergleichbaren Produkten gelten. Dies ist bei dem Vergleich von nachhaltigen zu nicht-nachhaltigen Produkten nie der Fall.
  • GEWOHNHEIT: Veränderung bzw. Aufgabe von liebgewonnenen Gewohnheiten.
  • BEQUEMLICHKEIT: Beim Kauf oder Nutzung nachhaltiger Produkte entstehen Unbequemlichkeiten.
  • UNSICHERHEIT: Unsicherheit über die soziale bzw. ökologische Qualität oder deren Wirkung.
  • EGOISMUS: Konkurrenz zwischen Bedürfnissen, etwas für die Umwelt zu tun und Bedürfnissen, die das eigene Wohl betreffen.
  • VERTRAUEN: Misstrauen gegenüber den Herstellerinformationen zur Nachhaltigkeit.

ZIELGRUPPENSEGMENTE IDENTIFIZIEREN

Für Anbieter von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen bzw. als Unternehmen, die eine Öko-Innovation in den Markt einführen möchten, lohnt es sich die Zielgruppen genau anzuschauen und diese möglicherweise neu zu segmentieren.

Soziodemografische Daten oder der alleinige Blick auf die gut untersuchten LOHAS sind für eine solche Segmentierung mit ziemlich großer Sicherheit nicht ausreichend. Eine Clusterbildung nach Sinus-Milieus ist denkbar. Die Zielgruppen-Segmentierung nach Grimm/Malschinger (Green Marketing 4.0, 2021) ist hier aber noch hilfreicher: Sie stellen die Zielgruppen Eco-Prosumer, Strategisch-ethische Konsumenten und die Nachhaltigkeits-Pragmatiker vor.

Der Eco-Prosumer lässt sich charakterisieren über Attribute wie gute Bildung, eher Frauen, höheres Einkommen oder hohes Verantwortungsbewusstsein. Sie sind zentrale Akteure in der nachhaltigen Transformation, Leben einen ganzheitlichen nachhaltigen Lebensstil und sind daran interessiert, ihr Nachhaltigkeitsverhalten ständig zu optimieren.

Die strategisch-ethischen Konsumenten fokussieren auf konkrete Nachhaltigkeitsagenden, die sie dann akribisch umsetzen, z. B. Veganer, Zero-Waster, Fair-Käufer, Second-Hand-Käufer, „Nischen-Aktivisten“. Allerdings könnte hier ein Veganer auch ein dieselbetriebener SUV-Fahrer sein.

Nachhaltigkeits-Pragmatiker wollen nachhaltig handeln, aber ohne dabei einen zu hohen Aufwand betreiben zu müssen. Sie sind bestrebt nachhaltige Produkte zu kaufen, vertrauen dabei auf öffentliche Instanzen & Siegeln sowie den Bewertungen anderer.

HANDLUNSGEMPFEHLUNG: LERNEN SIE IHRE KUNDEN KENNEN

Wesentlich ist es die Konsumenten zu identifizieren und über Marketingkommunikation anzusprechen, die zwar nachhaltiger zu konsumieren möchten, diesen Willen allerdings nicht in die Tat umsetzen können. Die Gründe und Motive für diese Diskrepanz sind stark abhängig von der jeweiligen Branche.

Wichtig ist es, mit genau dieser Zielgruppe in den Dialog zu gehen, die konkreten Kaufbarrieren zu identifizieren und über Produktweiterentwicklung, Innovation und zielgerichteten Botschaften, die Verbraucher über das nachhaltige Angebot zu informieren.

Das digitale Instrumentarium im Online-Marketing birgt ein hohes Potenzial um Kaufbarrieren abzubauen, Zielgruppen zu identifizieren und mit ihnen in den Dialog zu treten: Online-Umfragen, Markttests über Soziale Medien und Digitale Kommunikation können hier interessante Ansatzpunkte sein, um Ihre Kunden besser kennenzulernen.